Die Tabakindustrie ist eine der tödlichsten Industrien unserer Zeit. Wir sollten sie also schleunigst loswerden.
Das tödlichste Objekt in der Geschichte der Menschheit ist die Zigarette. Für viele Menschen scheint der Kampf gegen die Tabakindustrie aber ein Relikt aus der Vergangenheit zu sein. Schließlich rauchen ja immer weniger Leute, oder? Wenn es nur wahr wäre: noch immer tötet das Zigarettenrauchen jährlich 8 Millionen Menschen. Und wenn es nach der Tabakindustrie geht, werden es immer mehr.
Wer anfängt, über das Rauchen als ein großes Weltproblem zu sprechen, erntet oft verwunderte Reaktionen:
„Aber dieser Kampf wurde doch schon geführt? Es wurden doch schon strenge Regeln eingeführt, und es rauchen immer weniger Menschen?“
Doch wer sich einmal die Zahlen genau anschaut, stellt fest, dass die Realität weit weniger rosig ist. So ist das Rauchen in den Niederlanden immer noch – mit Abstand – der größte Risikofaktor für einen vorzeitigen Tod. Und weltweit ist das Problem sogar noch größer: jährlich sterben 8 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, und diese Zahl steigt und steigt.
Das Bild vom Rauchen als einem Problem, das sich von selbst löst, ist also eine Illusion: eine Fabel, die uns die Tabakindustrie nur zu gern erzählt. Denn obwohl der Anteil der Raucher an der Bevölkerung (in den reichen Ländern) stetig abnimmt, wird dieser Rückgang durch die wachsende Weltbevölkerung und der zunehmende Tabakkonsum in ärmeren Ländern mehr als zunichte gemacht. Dadurch steigt die Zahl der Opfer der Tabakindustrie – ebenso wie deren Umsatz – immer weiter an.
Genau das ist der springende Punkt: die weit verbreitete Nikotinabhängigkeit ist keine Naturerscheinung, sondern etwas, das von einer ganzen Industrie mit allen Mitteln gefördert wird. Von einer Industrie mit einem Jahresumsatz von fast 900 Milliarden Dollar, die über jahrzehntelange Erfahrung in der Umgehung von Gesetzen und Vorschriften verfügt. Von einer Industrie, der wir mit unseren besten Anwälten, Lobbyisten und Aktivisten entgegentreten müssen, da sie sonst niemals aufhören wird, Menschen süchtig zu machen.
„Wenn wir Zigaretten verbieten, was folgt dann noch?“
Dies bringt uns zu dem zweiten Missverständnis über das Rauchen, nämlich dass es eine freie Entscheidung wäre.
Sobald über Maßnahmen gegen das Rauchen gesprochen wird, fliegen einem die Vorwürfe der Bevormundung um die Ohren. Denn wenn wir gegen die Tabakindustrie vorgehen, wohin führt das dann noch? Jeder darf doch wohl selbst entscheiden, ob er ungesunde Dinge wie Zigaretten, Bier, Wein oder Süßigkeiten konsumieren will?
Aber dieses Argument der „freien Entscheidung“ trifft leider für die meisten Raucher nicht zu. 80 Prozent geben an, mit dem Rauchen aufhören zu wollen, und ein Drittel hat nach eigener Auskunft im letzten Jahr einen ernsthaften Versuch unternommen. Der Vergleich mit dem Alkoholkonsum hinkt also: nur 3 bis 4 Prozent der Alkoholtrinker ist abhängig, und die meisten Menschen, die Alkohol trinken, betrachten dies als angenehmen Teil ihres Lebens.
Ist es dann eine freie Entscheidung, mit dem Rauchen anzufangen? Auch dieses Argument ist schwierig, denn die allermeisten Raucher sind noch minderjährig, wenn sie erstmals zur Zigarette greifen.
Untersuchungen des Trimbos-Instituts zeigen, dass das Durchschnittsalter, in dem Menschen mit dem Rauchen beginnen, bei 17 Jahren liegt und dass zwei Drittel vor Vollendung des 18. (und fast alle vor Vollendung des 26.) Lebensjahrs damit anfangen. Und je jünger die Menschen mit dem Rauchen beginnen, desto mehr rauchen sie und desto schwieriger fällt es ihnen, wieder damit aufzuhören.
Wenn man die Fakten richtig betrachtet, handelt es sich also um ein Produkt, von dem Menschen schon in jungem Alter abhängig werden – wenn ihr Gehirn noch am empfindlichsten auf Nikotin reagiert. Ist das dann also wirklich noch eine „freie Entscheidung“?
Entwickelt, um süchtig zu machen
Dass die moderne Zigarette so ein starkes Suchtpotenzial hat, ist kein Zufall. Darauf wurde nämlich bewusst hingewirkt.
„Es geht hier um eines der am sorgfältigsten (und hinterlistigsten) entworfenen Objekte überhaupt“, schreibt der Historiker Robert N. Proctor in seinem Standardwerk über die Tabakindustrie. „Milliarden von Dollar sind in die schwarze Kunst der Zigarettenwissenschaft geflossen.“
Es beginnt schon mit dem „Tabak“ in der Zigarette, der tatsächlich nur zu zwei Dritteln aus reinem Tabak besteht. Da dieser reine Tabak nicht leicht zu inhalieren ist, haben die Hersteller Zusatzstoffe wie Hustenstiller und Aromastoffe wie Zucker, Kakao und Süßholz hinzugefügt, die das Rauchen weniger unangenehm machen, zugleich aber auch das Krebsrisiko erhöhen.
Dann gibt es noch den Prozess des „Freebasings“, also des Zusatzes von Ammoniak, das dazu führt, dass das Nikotin schneller ins Gehirn gelangt. Das Freebasing wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren von Forschern bei Philip Morris erfunden, um die Vorschriften für den Nikotingehalt von Zigaretten zu umgehen. Dadurch konnte das Unternehmen mit geringeren Mengen von Nikotin die Menschen ebenso schnell oder sogar noch schneller in die Abhängigkeit treiben – und einigen Historikern zufolge erklärt das den Erfolg von Marlboro, der weltweit größten Zigarettenmarke, hergestellt von Philip Morris.
Und so gibt es noch viele andere Beispiele dafür, wie die Tabakindustrie die Vorschriften umgeht. Der Zigarettenfilter wurde einst als Mittel zum Schutz vor Schadstoffen eingeführt, während Philip Morris das Konzept der „selektiven Filtration“ in internen Dokumenten als „thermodynamische Unmöglichkeit“ bezeichnete. Dasselbe gilt für die winzigen Löcher im Zigarettenfilter, die die inhalierten Schadstoffe verringern soll. In den Rauchmessgeräten, die zum Testen von Zigaretten dienen, verdünnen diese Belüftungslöcher den Rauch mit Frischluft, wodurch die Zigarette bei der Messung als weniger schädlich erscheint. In der Praxis wissen die Hersteller aber ganz genau, dass diese Löcher beim Rauchen mit den Fingern verdeckt werden, wodurch sie in der Praxis weder das Krankheits- noch das Suchtpotenzial verringern.
Die neueste Art und Weise, wie die Tabakindustrie die Vorschriften umgeht, ist die E-Zigarette (oder „Vape“). Mit illegalem Kindermarketing werden Vapes als „weniger schädliche“ Art des Rauchens verkauft. Der Erfolg dieser Taktik ist äußerst besorgniserregend: kürzlich schlugen niederländische Kinderärzte Alarm, weil bereits jeder fünfte Jugendliche mit dem Vapen begonnen hat, obwohl wir wissen, dass vapende Jugendliche dreimal häufiger später auch zur Zigarette greifen und das Vapes an sich auch äußerst gesundheitsschädlich sind.
Eine rauchfreie Zukunft
So scheint das vielköpfige Monster der Tabakindustrie nie wirklich besiegt zu sein – jedes Mal, wenn den Herstellern eine Einschränkung auferlegt wird, öffnen sie still und leise wieder zwei Hintertüren.
So war es ein wichtiger Schritt, dass die Weltgesundheitsorganisation 2003 das Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums (FCTC) verabschiedete, in dem unter anderem festgelegt wurde, dass es keine Kontakte mehr zwischen Gesundheitspolitikern und der Tabakindustrie geben sollte. Doch in der Praxis wurden die Bande zwischen Regierungen und Tabakunternehmen keineswegs gekappt, und die Tabakindustrie schafft es noch immer, Beamte aus höheren Positionen in Gesundheitsministerien zu einem Wechsel in ihre eigenen Reihen zu bewegen.
Oder nehmen Sie die Berichterstattung über eines der wirksamsten Mittel zur Eindämmung des Rauchens: die Verbrauchssteuern. Insbesondere bei jüngeren und ärmeren Verbrauchern hat sich diese Maßnahme immer wieder als wirksam erwiesen. Aus diesem Grund gibt sich die Tabakindustrie große Mühe, die politischen Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass höhere Steuern zu mehr Handel auf dem Schwarzmarkt führen würden – auch wenn das in der Praxis keineswegs bewiesen werden kann
All dies ist nur ein Teil der Strategie, mit der die Tabakindustrie gegen die Anti-Tabak-Politik vorgeht, von der Idee der Schadensbegrenzung bis hin zum Versprechen, auf eine „rauchfreie Zukunft“ hinzuwirken.
Um das vielköpfige Monster ein für alle Mal zu besiegen, brauchen wir also Menschen, die sich wirklich trauen, gegen diese Industrie vorzugehen. Menschen wie die Lungenspezialistin und Aktivistin Wanda de Kanter, die es wagen, mächtige Persönlichkeiten auf ihre Verbindungen zur Tabakindustrie anzusprechen. Aber auch Lobbyisten, Anwälte, Steuerexperten und Berater – allesamt Stellen, die bei der Tabakindustrie gut besetzt sind, auf der Seite, die sich für unsere Gesundheit einsetzt, aber nicht.
Was diese Menschen zumindest gemeinsam hätten, ist, dass sie sich nicht mit halben Sachen zufrieden geben würden. Ihr Ziel wäre klar: ein vollständiger Ausstieg aus dem Verkauf und der Produktion von Zigaretten.
Es gibt aber einen Grund, optimistisch zu sein: das Vereinigte Königreich hat bewiesen, dass eine rauchfreie Zukunft politisch machbar ist. Aber solange es eine Industrie gibt, die uns absichtlich in die Irre führt und abhängig macht, ist diese Zukunft alles andere als gesichert.
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Translation by Elizabeth Manton
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